Weg-Wort vom 14. Oktober 2020
Ich bin nicht Kirchenpolitiker. Und ich weiss, dass das alles nicht so einfach ist, mit der Ökumene. Dass es da um begründete Unterschiede im Kirchenverständnis geht, um seriöse, aber eben verschiedene theologische Konzepte. Trotzdem stelle ich mich manchmal naiv und stelle mir vor, es gäbe für die gegenseitige Anerkennung der verschiedenen Kirchen einfache Rezepte.
Mein Rezept steht im 3. Kapitel des Philipperbriefes, im Neuen Testament. Es kommt also von Paulus, immerhin.
In diesem Kapitel beschreibt er, wie die Erkenntnis Christi alles, was ihm vorher Lebensinhalt war, wertlos werden lässt. Und damit meint er seine Zugehörigkeit zum jüdischen Volk und sein theologisches Wissen als Pharisäer. Ganz offensichtlich ist Paulus von Christus und der «Kraft seiner Auferstehung» total ergriffen.
Dann aber die überraschende Wendung in den Versen 12 und 13:
«Nicht dass ich es schon erlangt hätte oder schon vollkommen wäre! Ich jage ihm aber nach, und vielleicht ergreife ich es, da auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin. Liebe Brüder und Schwestern, ich bilde mir nicht ein, dass ich selbst es ergriffen hätte, eins aber tue ich: Was zurückliegt, vergesse ich und strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt.»
Das wünsche ich mir: Eine Ökumene der Ergriffenheit. Dass Glaubende und Kirchen sich gegenseitig anerkennen könnten als Unvollkommene, die noch nicht ergriffen – oder sollte man sagen «begriffen» – haben, die manchmal auf gemeinsamen, manchmal auf getrennten Wegen unterwegs sind, die aber von einer gemeinsamen Erfahrung her kommen, die sie einander nicht bestreiten: Der Ergriffenheit durch Jesus Christus.
Aber klar, das ist natürlich naiv.